Das Ende der Wegwerf-Gesellschaft

Plastikmüll im Meer

Was haben ein Staubsauger, ein Kronleuchter und ein Müllkarren gemeinsam? Sie wurden zusammen mit dem üblichen Verpackungsmüll aus dem Canale Grande gefischt.


In Venedig ist es zur Tradition geworden, dass die Gondolieri in der Nebensaison in Taucheranzüge schlüpfen und den Canale Grande vom Müll befreien. 2,5 Tonnen Abfall waren’s im November 2019. Ähnliche Aufräum-Aktionen kenne ich aus Hamburg. Bei der jährlichen Aktion „Hamburg räumt auf“ ziehen Taucher der Hamburger Feuerwehr regelmäßig Fahrräder, Mopeds, Einkaufwägen und Verkehrsschilder aus der Alster. Sogar ein Zigarettenautomat kam zum Vorschein. Natürlich auch jede Menge Flaschen.


Die Umwelt als Müllkippe

Solche Aufräumaktionen schaffen es bis in die Nachrichten. Vor allem wegen der spektakulären Bilder. Wenig Aufmerksamkeit gibt es dagegen für jene Objekte, die am häufigsten in der Umwelt landen. Man drückt sie auf dem Boden aus, schnipst sie weg. Die Zigarettenkippen.


Der Berliner Stephan von Orlow hat 2019 eine Online-Petition gestartet. Er forderte „20 Cent Pfand pro Zigarettenstummel“Pro Schachtel kämen dann 4 Euro Pfand zusammen. Stand Januar 2025 haben mehr als 160.000 Menschen unterzeichnet. Die Macher der Initiative sind offen für kreative Ideen, wie man ein Zigaretten-Pfand in der Praxis umsetzen könnte.

 

Sobald Flaschen mit einem Pfand versehen sind, bringen wir jede einzelne zum Händler zurück. Auch bei Straßenfesten liegt kein einziger Plastikbecher auf der Erde, wenn es einen Pfand pro Becher gibt. Verhält sich unsere Gesellschaft also erst dann umweltbewusst, sobald ein finanzieller Anreiz ins Spiel gebracht wird?

 

Damit das Pfandsystem funktioniert, muss eine aufwändiges Rücknahmesystem aufgebaut und gepflegt werden. Dieser Preis wäre zu zahlen, wenn ein Großteil der Menschen nicht bereit ist, sich verantwortungsvoll zu verhalten.

 

Anreize oder Strafen?

Eine andere Möglichkeit wären konsequente Kontrollen und drastische Strafen.


Wer in Singapur eine Kippe wegschnipst, muss mit umgerechnet 1.300 Euro Strafe rechnen. Beim 2. Mal ist man mit 2.600 Euro dabei. Beim 3. Mal sind 6.500 Euro fällig. Singapur ist eine der saubersten Städte weltweit.

 

Die Kippen am Strand, in Grünanlagen oder öffentlichen Plätzen sind nicht nur ein ästhetisches Problem. Zigarettenfilter bestehen aus biologisch schwer abbaubarem Zellulose-Azetat. Und sie enthalten tausende Giftstoffe, darunter Arsen, Blei und Cadmium, die bei Regen in den Boden gelangen und von dort ins Grundwasser oder direkt in die Flüsse, Seen und Meere. Untersuchungen mit Mikroorganismen, Wasserflöhen oder Forellen haben gezeigt, wie schnell die Lebewesen in dem belasteten Wasser verenden. Aber wen kümmert das schon…


Unser Lebensstil schadet anderen

In Deutschland werden jeden Tag zig-tausende Nutztiere geschlachtet, die niemals gegessen werden. Sie vergammeln als Hack im Kühlschrank und werden weggeschmissen. Geboren, um in der Tonne zu landen. Ist ja „nur“ Fleisch.

 

In der Bekleidungsindustrie gab es einst einen Sommer- und Winterschlussverkauf. Heute jagt ein Super-Sale den nächsten. Viele Textilien sind nach kurzem Tragen löchrig. Dann wird was Neues gekauft. Kostet ja nix.


In Umfragen zeigen sich die meisten verantwortungsbewusst. Die Verbraucher sind entsetzt über die miserablen Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. Widrige Haltungsbedingungen der industriellen Tierproduktion lehnen die Menschen ab. Beim nächsten Angebot wird trotzdem wieder zugegriffen… und ein Markt unterstützt, der es ablehnt, Verantwortung zu übernehmen.


Der „Earth Overshoot Day“

Dass die weltweit verfügbaren Ressourcen endlich sind, dürfte allgemein bekannt sein. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach Produkten, als lebten wir im Schlaraffenland. Finde den Fehler.


Das „Global Footprint Network“ berechnet jedes Jahr den weltweiten Ressourcenverbrauch. Der „Earth Overshoot Day“ („Weltüberlastungstag“) ist der Tag des Jahres, an dem der weltweite Verbrauch der nachwachsenden Rohstoffe die Kapazität der Erde zur Reproduktion dieser Rohstoffe übersteigt. Bei einem Gleichgewicht zwischen Nachfrage und Reproduktion wäre dieser Tag am 31. Dezember erreicht. In den letzten 20 Jahren ist dieses Datum allerdings immer weiter nach vorn gerückt. Wir verbrauchen mehr, als die Natur reproduzieren kann.


Würden alle Menschen auf diesem Planeten nach dem Lebensstil und Ressourcenverbrauch leben, wie die Deutschen, bräuchten wir 3 Erden. Wir haben aber nur eine. Deshalb rufen immer mehr Menschen zu einem nachhaltigen Lebensstil auf.

 

Mit Kreislaufwirtschaft in die Zukunft

Jetzt stellen Sie sich mal was ganz Verrücktes vor: Wie wäre es, wenn es keinen Müll mehr gäbe. Abfall wäre immer wieder das Ausgangsprodukt für etwas Neues. Weil nur noch solche Produkte hergestellt würden, die für die Umwelt unschädlich wären oder immer wieder recycelt werden könnten. Das Prinzip nennt sich „Cradle to Cradle“ („Von der Wiege zurück zur Wiege“). Kreislauf-Wirtschaft.

 

Vielleicht wird es in ein paar Jahren üblich sein, dass Hersteller gleichzeitig auch Recycler sind. Weil es der Gesetzgeber so vorgibt oder weil manche Rohstoffe gar nicht mehr verfügbar sind.

 

Im Moment bedienen wir uns an den Vorräten der Erde, solange es geht. Wozu an morgen denken? Warum sollten ausgerechnet wir die Dummen sein, die aufwändig recyceln, während alle anderen so weitermachen wie bisher?


Funktioniert nachhaltiges Wirtschaften?

Wem es wichtig ist, verantwortungsbewusst mit Ressourcen umzugehen, findet Mittel und Wege, sein Geschäftsmodell anzupassen, umzugestalten oder neu auszurichten. Eine „Anleitung“, wie man nachhaltig wirtschaftet, gibt es nicht.

 

Nachhaltigkeit ist eine ganz klare Einstellungsfrage. Hier 3 unterschiedliche Beispiele:

  1. Ein Unternehmer aus Hennef stellt Verpackungen für den Lebensmittelhandel aus Graspapier her. Er hat nach Alternativen für die Papierherstellung aus Holz gesucht. Dabei stieß er auf die hervorragenden Eigenschaften von Heu, das in der Landwirtschaft zuhauf anfällt.
  2. Eine junge Firma aus Belgien stellt mit 3D-Druck Sonnenbrillen aus Kunststoff-Abfällen her.
  3. In Istanbul können Sie in der U-Bahn-Station leere Plastikflaschen abgeben und damit das Guthaben Ihrer Fahrkarte aufladen.


Es gibt unzählige Beispiele, die eins gemeinsam haben: Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Die einzige Grenze stellt sich jeder selbst: „Bin ich bereit, alte Gewohnheiten zu ändern?“. Es ist die Bereitschaft für Veränderung, die erfolgreiche Unternehmer auszeichnet. Selbst in der Krise probieren sie Neues aus.


Was wir brauchen, sind Vorbilder aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die genau diesen Umgang mit Veränderung vorleben. Damit sich ein Klima etablieren kann, wo kreative Ideen für mehr Nachhaltigkeit geboren und nicht behindert werden.

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