Was gesunde Städte ausmacht

Der Fluss Cheonggyecheon

Die Krise als Neustart

Wussten Sie, dass Hamburg die erste Stadt auf dem europäischen Festland war, die vor rund 180 Jahren eine moderne Kanalisation erhielt?


Der Grund für den Bau war ein furchtbares Ereignis: der Große Brand von 1842. Das Feuer zerstörte ein Drittel der Stadt. Hamburg war damals viel zu dicht bebaut und die Löschwasserversorgung war miserabel. Doch der Zufall wollte es, dass der bekannte Londoner Ingenieur William Lindley nur wenige Tage nach dem Brand der Stadt seine Pläne für eine zentrale Kanalisation und Frischwasserversorgung vorlegte. Der Große Brand verhalf den Hamburgern sozusagen zu fließend Wasser.

 

Die Geschichte vieler Städte wurde von schweren Krisen geprägt. Und die schockartigen Ereignisse sorgten für längst überfällige Veränderungen. Hemmender Ballast wurde über Bord geworfen. Die plötzlichen Krisen lösten einen Neuanfang aus.


Volle Städte

Und dann gibt es Krisen, die man nicht so deutlich wahrnimmt, weil sie sich schleichend vollziehen. Wie zum Beispiel die wachsende Urbanisierung.


Weltweit kehren die Menschen der Provinz den Rücken. Sie ziehen in die Städte, um dort ihr Glück zu finden. Die Vereinten Nationen haben in ihrem World Urbanization Prospects 2018 berechnet, wie sich dieses Stadt-Land-Gefälle bis zum Jahr 2050 verändern wird. Allein in Deutschland werden dann 87 Prozent der Menschen in Städten leben.

 

Die Auswirkungen dieser Urbanisierung sind längst zu spüren. Noch nie haben so viele Menschen auf engstem Raum zusammengelebt, wie derzeit. In den großen Städten werden bezahlbare Wohnungen immer knapper. Gleichzeitig wächst der Pendelverkehr. Doch für dieses Bevölkerungsaufkommen wurden Städte gar nicht konzipiert. Luftverschmutzung und Lärm, Stau und Stress sind der Preis, den die Menschen zahlen, die in Großstädten leben.

 

Gesundheit durch urbane Grünräume

Um die Gesundheit der Stadtbewohner zu verbessern, spielen Grünräume eine zentrale Rolle. Im Wettbewerb der Kommunen sind sie ein wichtiger Standortfaktor geworden. Immer mehr Menschen sehnen sich nach einem gesunden Wohn- und Arbeitsumfeld.


Stadtbäume und Parks, begrünte Fassaden und Dächer, blühende Verkehrsinseln und Vorgärten, bepflanzte Baumscheiben und Blumenkästen sind mehr als nur hübsche Gestaltungselemente. All diese Grünräume säubern die Luft und sorgen für ein angenehmes Mikroklima. Sie dämpfen den Lärm, spenden Schatten und kühlen die Umgebung. Sie wandeln das Treibhausgas Kohlendioxid in Sauerstoff um, sind Rückzugsorte für Tiere und fördern den Artenschutz. Sie speichern das Regenwasser, tragen zur Grundwasserbildung und zum Bodenschutz bei. Sie sind Naherholungsorte, fördern das nachbarschaftliche Miteinander und regen zu körperlichen Aktivitäten an. Kurzum: Grünräume verbessern das Wohlbefinden aller.


Wiener Umweltmediziner haben den Erholungsfaktor von urbanen Grünräumen untersucht und festgestellt, dass die unmittelbare Nähe zu Grünflächen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaf-Störungen reduziert. Und jeder noch so kleine Flecken Grün hilft dabei.


Mit mehr Grün gegen den Klimawandel

Die Wissenschaftler empfehlen, dass wir uns möglichst viele grüne „Bullerbüs“ in die Städte holen – auch um die Folgen des Klimawandels zu mildern.


Hitzeperioden und Trockenheit, Überschwemmungen und Stürme treffen die Städte mit immer höheren wirtschaftlichen Verlusten. Viele teure Klimafolgen ließen sich mit vielfältigen Gegenmaßnahmen dämpfen. Gleichzeitig könnten die Städte ihren CO2-Abdruck senken. Städte emittieren rund 70 Prozent der weltweiten Treibhausgase. Damit könnten Metropolregionen zum Teil der Lösung werden.

 

Beispiele aus aller Welt

Ermutigende Beispiele aus aller Welt zeigen, welche Chancen sich für die ökonomische, soziale und ökologische Stabilität der Städte eröffnen. Es gibt unzählige Flächen, wo sich urbane Betonwüsten aufbrechen ließen – zum Nutzen für die Bewohner und die lokalen Unternehmen. Wo wir uns wohlfühlen, verweilen wir länger.

 

In Frankreich gibt es seit 1959 einen Wettbewerb um die schönsten bepflanzten Städte und Dörfer. Der „Concours des villes et villages fleuris“ will die Gemeinden anregen, das Lebensumfeld der Einwohner zu verschönern und Touristen einen einladenden Empfang zu bieten. Über 4.000 Gemeinden haben sich seitdem das Label „Ville fleurie“ oder „Village fleurie“ erkämpft. Mit diesem Label wird der Besucher am Ortseingang oder im Internet begrüßt. In der niederländischen Stadt Utrecht wurden für die Insekten über 300 Bushaltestellendächer bepflanzt. In Nizza fährt die Straßenbahn über Rasengleise. In Mailand hat der italienische Architekt Stefano Boeri mit seinen begrünten Hochhäusern „Bosco Verticale“ bewiesen, dass 7.000 m2 Waldfläche auch in die Höhe wachsen kann. Und die New Yorker haben mit dem High Line Park in Manhattan vorgemacht, wie man eine ehemalige Hochbahntrasse in eine öffentliche Naherholungs-Parkanlage verwandeln kann.


Meine Vision von der Stadt der Zukunft

In „meiner“ Stadt der Zukunft durchbricht ein Netz aus kleinen, grünen Oasen die urbanen Betonwüsten. Diese Grünräume sorgen für ein gesundes Mikroklima, kühlen Asphalt und Fassaden, sind Rückzugsorte für Tiere und Erholungsorte für die Bevölkerung. Endlich macht das Radfahren Spaß. Das Radwegenetz ist komplett barrierefrei. Und das öffentliche Nahverkehrsnetz ist so attraktiv geworden, dass man Lust hat, das Auto stehen zu lassen und lieber mit Bus oder Bahn zu fahren.

 

Industriebrachen werden in lebenswerte Wohn-Quartiere verwandelt. Solarpanels auf den Dächern versorgen die Quartiere mit preiswertem Strom. Smarte Stromnetze steuern im Stadtgebiet die Erzeugung, die Speicherung und den Verbrauch den benötigten Stroms. Sogar die Abwärme der Rechenzentren wird verwertet. Sie wird ins Fernwärmenetz eingespeist – oder findet in der Nachbarschaft dankbare Abnehmer.

 

Das Leben in den Stadtvierteln ist bunt, vielfältig und gemeinschaftlich. Die Menschen haben aus den Krisen der Vergangenheit gelernt.

 

Die deutsche Lyrikerin Roswitha Bloch sagte einmal:

„Der Atem der Bäume schenkt uns das Leben.“


Mit diesem Gedanken möchte ich das Kapitel „Lebensraum Stadt“ beschließen. Es gibt in unseren Städten unzählige Flächen, die wir in einladende Lebensräume verwandeln können. Worauf warten wir noch?

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