KONFERENZ ZU NACHHALTIGER STADTENTWICKLUNG

zwei Monitore stehen nebeneinander mit Moderatorin und Speaker

„Einen schönen guten Morgen aus dem Roten Würfel!“

Ein kleines Virus sorgt dafür, dass unser gewohntes Leben ordentlich auf den Kopf gestellt wird. Auch in der Veranstaltungsbranche. Viele Konferenzen, die als Präsenz-Veranstaltung geplant waren, werden inzwischen in Studios produziert und per Live-Stream ins Internet übertragen. Zu diesem Schritt hatte sich auch der Gastgeber der mehrtägigen, internationalen Konferenz „Urbane Transformationen“ entschlossen. Und es wurde ein Volltreffer.

Die Konferenz ging vom 3. bis 5. März über die Bühne. Wobei die Bühne in diesem Fall ein Hörsaal war. Veranstalter war die Hochschule München. Sie verwandelte das markante Wahrzeichen der Hochschule, den „Roten Würfel“ in der Lothstraße 64, in ein TV-Studio. Und ich hatte das Vergnügen, die 3-tägige Konferenz vor rund 700 zugeschalteten Teilnehmern zu moderieren.

Kreative Lösungen für verdichtete Städte

Als bekennender Großstadt-Mensch beschäftige ich mich seit vielen Jahren mit dem urbanen Wandel, der sich weltweit in den Metropolregionen vollzieht. Und als Journalistin sehe ich mir an, wie die Städte die gewaltigen Herausforderungen anpacken und lösen. Denn es gibt erstaunlich viele positive Ansätze, die die Großstädte ausprobieren, um die Lebensqualität der Menschen nachhaltig zu verbessern. Viele neue und überraschende Lösungsansätze wurden auch auf der Konferenz „Urbane Transformationen“ vorgestellt und diskutiert.

Die Konferenz lieferte den Zuschauern ein ganzes Feuerwerk an frischen Ideen. In Vorträgen und Workshops wurden die Teilnehmer immer wieder ermuntert, ungewöhnliche Denkansätze zuzulassen und übliche Gewohnheiten zu hinterfragten. Jedes Gedankenexperiment war erlaubt, damit eine nachhaltige Stadtentwicklung gelingen kann.

Neuer Umgang mit Ressourcen

Denn so wie bisher kann es nicht weitergehen. Weltweit geraten immer mehr Metropolregionen an ihre Grenzen: der Zuzug der Menschen hält unvermindert an – und Energieverbrauch, Verkehrsaufkommen, Konsum und Abfallmengen wachsen.

Dieses Wachstum offenbart, dass unser bisheriger Lebensstil keine Zukunft hat. Dringend nötig ist ein sorgsamer Umgang mit den Ressourcen Energie, Material, Zeit und Raum. Wie dieser sorgsame Umgang konkret aussehen kann, zeigte die Konferenz an diesen 3 Tagen.

Ressource „Energie“

Tag 1 beschäftigte sich mit der Ressource „Energie“ – und konzentrierte sich dabei auf die Energiewende im Gebäudesektor und im Verkehr. Denn momentan dominieren immer noch fossile Brennstoffe den Wärme- und Verkehrsbereich. Und da der Klimawandel vor den Toren der Städte nicht Halt macht, sollten auch die Städte handeln.

Strom aus erneuerbaren Energiequellen muss so schnell wie möglich zur wichtigsten Primär-Energie werden. Und Wege in eine klimaneutrale Zukunft gibt es viele. Eine wichtige Säule ist die Integration der Photovoltaik in den verschiedenen Bereichen. Allein im Gebäudebestand ist das Potenzial riesig. Nicht nur Dächer eignen sich für die Solarstrom-Erzeugung. Auch an Fassaden lassen sich Solarpanels anbringen. Mit Blick auf die zunehmende Elektromobilität bieten sich sogar die Fahrzeughüllen dafür an. Und in E-Fahrzeugen steckt noch ein weiteres Potenzial für die Energiewende: Ihre Batterien sind wichtige Zwischenspeicher, die nicht benötigten Strom zurück ins Netz einspeisen können.

Beispiele wie diese zeigen also, dass die lokale Erzeugung, Speicherung und Verteilung von Strom und Wärme in Zukunft eine große Rolle spielen wird. Damit werden urbane Quartiere als grüne, dezentrale Mini-Kraftwerke einen beachtlichen Anteil am Gelingen der Energiewende haben.

Ressource „Material“

Tag 2 fokussierte am Vormittag auf die Ressource „Material“ – und zeigte konkrete Lösungsansätze für unseren Umgang mit materiellen Gütern. Make – Take – Waste… das ist unser derzeitiger Lebensstil… Würde die gesamte Weltbevölkerung nach dem Lebensstil und Ressourcen-Verbrauch leben wie wir Deutschen, bräuchten wir 3,2 Erden. Wir haben aber nur die eine. Deshalb ist es nötig, unser bisheriges lineares Wirtschaftsmodell (make-take-waste) in ein zirkuläres Modell zu transformieren.

In der Kreislaufwirtschaft wäre Abfall immer wieder das Ausgangsprodukt für etwas Neues. Es gäbe keinen Müll mehr, sondern nur noch Wertstoffe. Weil nur noch solche Produkte hergestellt werden, die entweder für die Umwelt unschädlich sind und der Natur zurückgeführt werden können – oder die beliebig oft recycelt werden können. Das bedeutet für die Produktentwickler, dass sie schon beim Design überlegen müssen, welche Materialien für eine Wiederverwertung geeignet sind – und welche nicht. Denn unsere Rohstoffe sind endlich. Folglich kann die Zukunft nicht im Verbrennen von Wertstoffen liegen, sondern einzig im ReUse, ReCycle und UpCycle.

Es ist also nicht nur eine Energie- und Verkehrswende nötig, sondern auch eine Material-Wende.

Ressource „Zeit“

Der Nachmittag lenkte den Fokus auf die Ressource „Zeit“ – und machte unmissverständlich deutlich, dass sich unsere Leitungsgesellschaft in einem Uhrwerk befindet, dessen Rädchen sich immer schneller drehen. Je mehr der Mensch die Technik perfektioniert und auf Effizienz trimmt, desto mehr ist auch der Mensch versucht, mit dieser Technik mitzuhalten. Auch wir wollen effizient sein. Effizienz macht uns „scheinbar“ glücklich. Wer am Ende des Tages ein besonders hoch gestecktes Pensum geschafft hat, freut sich. Man ist stolz auf die eigene Leistung. Das ist völlig normal. Doch was passiert dann? Beim nächsten Mal steckt man die Latte ein bisschen höher. Und so geht das immer weiter. Bis man nicht mehr kann.

Denn die menschliche Leistungsfähigkeit hat Grenzen. Werden diese Grenzen regelmäßig überschritten, sendet der Körper Signale. So wie ein Frühwarnsystem. Die einen fühlen sich schlapp und freudlos. Andere haben Schlafstörungen und Herzrasen. Wieder andere reagieren zunehmend gereizt auf ihre Umwelt. Bei jedem Menschen sind die Signale anders. Wichtig ist, diese Signale ernst zu nehmen. Doch oft vollzieht sich das Ganze schleichend. Und darin liegt die große Gefahr. Man merkt es nicht – und bricht plötzlich zusammen.

Wir können vorbeugen: mit einem „gesunden“ Zeitmanagement. Darunter ist vor allem Selbstreflexion zu verstehen. Erkennen, was wirklich wichtig ist und dementsprechend priorisieren. Den Terminplan nicht vollstopfen, sondern immer wieder Pausen einplanen. Sich Zeit nehmen, zu entspannen. Denn Körper und Geist brauchen Zeit, um den Raubbau an der eigenen Gesundheit auszugleichen.

Ressource „Öffentlicher Raum“

Tag 3 befasste sich schließlich mit der Ressource „Öffentlicher Raum“. Straßen und Plätze, Fußgängerbereiche und Grünanlagen sind ganz entscheidend für die Lebensqualität der Menschen. Sie beeinflussen, ob sich die Menschen in ihrer Stadt wohlfühlen. Diese öffentlichen Räume sind Orte, wo sich Menschen begegnen und austauschen, wo sie hingehen, wenn sie Ruhe brauchen, wo sie Kraft sammeln, Ideen finden und Tageslicht tanken z.B. nach einem langen Tag im Homeoffice. Doch das Angebot an solchen Orten ist begrenzt. Gleichzeitig verdrängt die wachsende Anzahl an Pkw die Menschen aus diesen öffentlichen Räumen.

Um das Leben und auch das Zusammenleben der Menschen zu verbessern, müssen Städte den vorhandenen öffentlichen Raum baulich optimieren. Verdichtete Straßenzüge brauchen als Ausgleich viele grüne Oasen. Das können begrünte Dächer, Fassaden und Verkehrsinseln sein – und Straßenbäume mit bepflanzten Baumscheiben. Denn Bäume sind natürliche Klimaanlagen. Sie kühlen die Umgebung, spenden Schatten und Sauerstoff und reinigen die Luft – und sind gut für unsere Gesundheit. Urban-Gardening und Urban-Farming sind weltweite Trends, um gesundheits- und klimaschädliche Betonwüsten aufzubrechen. Diese Trends sollten die Städte fördern und die Bewohner bei der Gestaltung ihres Viertels unterstützen. Und wenn öffentliche Flächen brach liegen oder nicht von den Menschen genutzt werden, sollten Städte das direkte Gespräch mit den Anwohnern suchen, um bessere Lösungen zu finden.

Wo öffentlicher Raum ein knappes Gut ist, können Mischflächen abwechslungsreiche Angebote schaffen. Weil sie verschiedene Nutzungsmöglichkeiten gleichzeitig anbieten. In Hamburg ist das Gebiet rund um die Alster eine solche Mischfläche. Dorthin gehen die Hamburger zum Spazieren und Joggen, zum Essen, Trinken und Picknicken oder um die freien Sportangebote zu nutzen.

Resümee

Es gibt vielfältige Ideen, um Städte menschengerecht zu gestalten – und gleichzeitig an den Klimawandel und die nötige Energie-, Verkehrs- und Material-Wende anzupassen. Vorausgesetzt, alle beteiligten Seiten öffnen sich für neue Ideen.

Die digitale Event-Plattform zur Konferenz bot die Möglichkeit, sich mit Fragen und Anregungen jederzeit einzubringen. Jeder Teilnehmer konnte auch entscheiden, ob er/sie sich die Konferenz im LIVE-Stream oder nachträglich ansehen wollte. Das komplette Tagungsprogramm wurde aufgezeichnet. Wie bei einer LIVE-Übertragung im Fernsehen auch. Das hatte für die Zuschauer einen Vorteil, den Präsenzveranstaltungen nicht bieten können: Man konnte einfach per Klick im laufenden Konferenzprogramm zwischen Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden wechseln. Egal, was man sich ansehen wollte: man war jederzeit LIVE dabei. Es gab sogar die Möglichkeit, zurück in die Vergangenheit zu scrollen, um nichts zu verpassen. Wie beim EPG im Fernsehen. Und Bloggerinnen lieferten im LIVE-Blog einen guten Überblick über die Inhalte der Tagung.

Alles in allem also eine rundum gelungene 3-tägige Konferenz.Fotos: Johanna Weber
Bildrechte: Hochschule München

Auf ein Wiedersehen in der Schweiz

Entwickelt wurde die Konferenzreihe „Urbane Transformationen“ übrigens von den 3 Hochschulen für Angewandte Wissenschaften: Hochschule München, FH Campus Wien und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Die drei Partner-Hochschulen haben sich im Hochschul-Netzwerk INUAS (International Network of Universities of Applied Sciences) zusammengeschlossen, um den fachlichen Austausch zur urbanen Entwicklung in den drei Metropolregionen München, Wien und Zürich zu fördern.

Die Folgeveranstaltung wird nächstes Jahr von der Schweiz ausgerichtet. Ich wünsche allen Beteiligten gutes Gelingen!

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